Tag 1: Die ersten Eindrücke
Hochhäuser. Überall Hochhäuser. Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt ziehen sie mich bereits in ihren Bann. Monströse Gebilde, die steil nach oben aus dem Boden sprießen. Unförmig wirr zusammengewürfelte Betonbauten.
Ich bin in Hong Kong gelandet. Sieben Millionen Menschen leben hier auf gerade mal 1104 Quadratkilometern, verteilt auf 263 Inseln. Eine Tatsache, die ich erst beim spektakulären Landeanflug begreife. Aus dem kleinen ovalen Flugzeugfenster erspähe ich rechts und links azurblaues Wasser, dekoriert mit unzählig saftig grünen Berginseln, zu deren Füßen gewaltige Hochhaussiedlungen liegen.
Auf Hong Kongs Straßen herrscht eine zurückhaltende Freundlichkeit vor. Wahnsinnig angenehm. Zum ersten Mal in einem exotischen Land werde ich nicht von Händlern und Schleppern belagert. Man folgt hier einer schätzenswerten Ordnung nach dem “Rechts stehen und links gehen”-Prinzip. Trotzdem kann man sich verlieren, eintauchen und alle Sinne neuen Herausforderungen stellen.
Tag 2: Architekturkontrast pur
Ich widme mich heute ganz und gar der faszinierenden Architektur dieser Stadt, vor allem diesen faszinierenden Hochhäusern. Als ich mich ihnen nähere, werden aus willkürlich zusammengefügten Elementen präzise Strukturen, die eine ansehnliche Detailliebe für akkurate Synchronität offenbaren – wie Bienenstöcke.
Der chinesischen Architektur liegt seit Jahrhunderten die Philosophie des Fengshui zugrunde. Fengshui-Meister werden bei der Standortbestimmung von Büros und Geschäften zu Rate gezogen. Gebäude und Gegenstände müssen optimal positioniert werden, um die Harmonie der Energieströme zu wahren.
Unser Guide Fred weist uns auf das monströse Gebäude der HSBC Bank auf Hong Kong Island hin, bei dem das gesamte Erdgeschoss als öffentlicher Platz freigehalten wurde. „In den Bergen dahinter leben Drachen und man muss ihnen den direkten Zugang zum Wasser freihalten. Wasser ist gleichbedeutend mit Wohlstand und blockiert man dem Drachen den Weg zum Wasser, blockiert man den Wohlstand“, erklärt Fred uns die Fengshui gerechte Architektur der HSBC Bank. Hong Kongs Hochhäuser stehen in einem spannenden Kontrast zu den traditionellen Bauten, den alten Fischerhäusern auf Tai O und zu der gewaltig schönen Landschaft. Hochhäuser und steil empor ragende Hügel kämpfen um den höchsten Gipfel. Mal gewinnt der eine, mal der andere. 40 Prozent von Hong Kong stehen unter Naturschutz. Ebenda macht in die Höhe bauen Sinn.
Tag 3: Mittwochabends in Hong Kong
Umringt von Hochhäusern mitten auf Hong Kong Island liegt die Pferderennbahn mit dem zuversichtlichen Namen Happy Valley. Mittwochs ist hier die Hölle los. Aus meiner guten Kinderstube hab ich nachhaltig eingebläut bekommen, dass Wetten und Glücksspiel absolut verpönt sind. Doch es kommt die Zeit da muss man das Urteil seiner Eltern revidieren. Mitgetragen vom Enthusiasmus der Anwesenden und herausgefordert in fremder Umgebung eine Wette zu platzieren, setzten wir kurzer Hand auf die Nr. 3; stolz wie Bolle, dass wir das System so schnell verstanden haben und einen versierten Eindruck machen. Meine erste Wette, der Einsatz 20HK$.
Ich ertappe mich dabei, wie ich enthusiastisch laut dem Galopp der Nr. 3 folge. Er holt auf, und holt auf – Moment, die Nr. 3 läuft grade ganz vorne mit. Das Pferd auf das wir aus purem Zufall eben gesetzt haben – und dann passiert das Unfassbare. „GEWONNEN! Die Nr. 3 hat gewonnen!“ – Ich hab das tatsächlich laut geschrien. Wir haben unseren Einsatz verachtfacht: 160KH$! Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist. Die nächsten Runden schauen wir wieder still den Wettenden zu.
Tag 4: Hühnerfüße, Blooming Tea und das erschwinglichste Michelin Restaurant der Welt
Wir beginnen den Tag mit einem Abstecher ins Grüne zum Tian Tan Buddha. In der komplett verglasten Gondel schweben wir über das Meer und wundervollen asiatischen Wäldern zum größten sitzenden Buddha der Welt dahin.
Auf dem Weg zum Buddha liegt das Linong Tea House, das vor allem für seine Teerosen bekannt ist. Die Teerosen werden in aufwendiger Handarbeit zu kleinen Paketen gebunden und anschließend getrocknet. Diese kleinen grau-brauen Pakete machen keinen besonders interessanten Eindruck auf uns bis das heiße Wasser aufgegossen wird. In der Mitte befindet sich eine getrocknete Blume, die sich nun im Zeitraffer zu neuem Leben entfaltet.
Ein optischer Gegensatz zu unserem Mittagessen. Auf unserem Tisch landen Hühnerfüße. Abgehackt, gemäß der Redewendung mit Haut und Haaren, werden sie in brauner Sauce puristisch dargeboten. Das kleine Mädchen am Nebentisch knabbert ganz genüsslich daran. So schlimm kann es nicht sein, versuch ich mir den ungewohnten Anblick schön zu reden.
Wir sind bei Tim Ho Wan, dem günstigsten Michelin Restaurant der Welt. Hier gibt es ausschließlich chinesische Dim Sums. Neben den Hühnerfüßen bekommen wir noch zehn weitere köstliche Speisen. Jede Menge unterschiedlich gefüllte Dumplings und viel Unbekanntes, wie steamed egg cake und Pan-fried turnip cake. Am Ende kommt mein absolutes Highlight: die Baked bun with BBQ. Das sind fluffige Hefeteigklöße gefüllt mit geröstetem Schweinefleisch und einer süßen Teigkruste. Allein dafür lohnt sich eine Reise nach Hong Kong, ehrlich!
Tag 5: Kowloon – ein riesiger Open-Air Markt
Kowloon ist das Herzstück des alten Hong Kong, dort wo man die berühmten Bilder vom Urwald chinesischer Neonreklameschilder vorfindet. Vor allem aber scheint mir Kowloon ein riesiger offener Markt zu sein. Oben im Norden starten wir in der Apliu-Street in einem High Tech Markt, wo sich auch kleine Antiquitäten-Händler unscheinbar finden lassen. Antike Uhren, Münzen und charmante Relikte aus alter Zeit locken mich alles genauer zu inspizieren.
Über den Blumen-Markt gelangen wir dann zum Vogel-Markt, wo man mit dem nötigen Kleingeld selbst einen Papageien erstehen könnte, wenn man wollte. Sanftmütige Tierliebhaber sollten dann aber die Bute Street und Umgebung meiden, wo neben Fischen auch Schildkröten verschiedenster Art auf ihr neues Zuhause warten. Schließlich kommen wir in der berüchtigten Temple Street an, Hong Kongs angeblich spektakulärstem Nachtmarkt. Was früher als verruchte Gegend bekannt war, entpuppt sich heute als reine Touristenattraktion mit unzähligen Souvenirständen.
Um die Ecke stehen ein paar provisorisch errichtete Zelte: Open-air Karaokebars. In einem Abstand von je fünf Metern zueinander singen mindestens drei Menschen gleichzeitig zu unterschiedlichsten Songs in den schrägsten Lagen. Mit dem Ohrwurm „Kowloon Hong Kong, We like Hong Kong, That’s the place for you, Walking down the street full of joy…“ von The Reynettes verabschieden wir uns wieder Richtung Hong Kong Island.
Tag 6 – Mein Zustand: klebrig nass
Ich renne gegen eine Wand aus schwülwarmer Luft. Es sind 43 Grad Celsius und 79 % Luftfeuchtigkeit. In Sekundenschnelle bin ich komplett durchnässt. Ich mag es ja heiß, aber das ist doch eine Spur zu viel des Guten. Wir beschließen erstmal entspannt mit der Ding Ding Tram zu fahren. Die zweistöckige Tram ist ein wundervolles koloniales Überbleibsel aus britischer Zeit. Oben kann man die Fenster öffnen und den Fahrtwind zur Abkühlung nutzen. Leicht erhöht hat man einen guten Überblick auf das Gewusel der Straßen und gleitet entspannt durch die Hochhausschluchten.
Aufgrund der Hitze beschließen wir, keinen Fuß mehr nach draußen zu setzen und nur noch Hong Kongs klimatisiertes Tunnelsystem zu nutzen. Von Mall zu Mall zur Metro durch Unterführungen gelangen wir schließlich erfrischt nach Kowloon und wollen unseren letzten Tag in Hong Kong in der höchsten Bar der Welt beenden.
Die OZONE Bar gehört zum Ritz Carlton und liegt im 118. Stock. Das ist Hong Kong aus der Vogelperspektive, sogar von der Toilette hat man hier einen unfassbaren Ausblick. Ich sitze da und bin hin und weg von der Skyline und dem Ausblick in die unverbaute Natur. Gerade wegen dieser Kombination finde ich Hong Kong so umwerfend.
Wichtige Info:
Octopus Card ist das bargeldlose Zahlungsmittel in Hong Kong. Man kann sie bei 7-Eleven gegen einen kleinen Pfandbetrag erwerben und mit einem gewissen Geldbetrag aufladen. Super praktisch vor allem für die Metro, Tram und viele Supermärkte.